Einer flog über das Kuckucksnest erzählt die Geschichte des mutmaßlichen Vergewaltigers Randall McMurphy (Jack Nicholson), der auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert und in einer Nervenheilanstalt landet. Dort merkt er schnell, dass das Leben in Therapie nicht ganz so einfach ist – insbesondere für einen Simulanten. Das Regime der eiskalten Oberschwester Mildred Ratched (Louise Fletcher) arbeitet mit fragwürdigen Holzhammermethoden und scheint die Insassen mehr zu demütigen, als ihnen zu helfen. Nach mehreren Rebellionsversuchen plant McMurphy mit anderen Patienten den Ausbruch. Einer flog übers Kuckucksnest ist ein Spiel auf mehreren Ebenen, zwischen direkter Kritik am System der Nervenheilanstalten und Analogie auf den orwellschen Überwachungsstaat. Ich schenke Milos Forman, Jack Nicholson, Brad Dourif und Louise Fletcher mein Herz für Klassiker.
Warum ich Einer flog über das Kuckucksnest mein Herz schenke
Der Film erzählt die Geschichte eines schwarzen Schafs, das in einer Psychiatrie reingewaschen werden soll. McMurphy ist mit seinem Sonderstatus zwischen dem totalitären Anstaltspersonal und den tatsächlich kranken Patienten ein anti-autoritärer Aufrührer des Status Quo. Die Rolle ist dabei wie geschaffen für Jack Nicholson, der sein dämonisches Grinsen bei jeder Gelegenheit herausholt, nur um es an anderer Stelle gegen die naive Verwirrung und Wut eines ansonsten simpel gestrickten Banditen auszutauschen. Mit der Zeit baut McMurphy Sympathie für die anderen Insassen auf und versucht sie vor der Willkür der Oberschwester zu bewahren (und natürlich das Beste für sich herauszuholen). Er ist die rohe Opposition zum (Anstalts-)Establishment, aber zeigt gleichzeitig die Resultate blinder Wut.
But I tried goddammit. At least I did that, sagt er nach dem vergeblichen Versuch, die Scheiben der Anstalt mit einem Wasserbecken zu durchschlagen. Mögen muss ich ihn nicht, um den Film genial zu finden. Miloš Formans Blick auf die Institution Nervenheilanstalt ist stark dramatisiert, lässt aber die Beweggründe jeder Figur nachvollziehen. Oberschwester Ratched ist kalt, aber nicht unverletzbar. So stellt Einer flog über das Kuckucksnest die Frage, was mit gesellschaftlichen Abweichlern zu geschehen hat, ohne sie selbst zu beantworten.
Warum auch andere Einer flog über das Kuckucksnest lieben werden
Auch abseits von Normkritik und Analogien zum Überwachungsstaat bringt ein Filmabend mit dem Kuckucksnest einiges. You’re not a goddamn looney now, boy. You’re a fisherman! sagt McMurphy auf dem Boot beim ersten großen Fluchtversuch seinen Mitinsassen. Ohne die Mitinsassen würde der Film wahrscheinlich nicht so gut funktionieren. Besonders der scheinbar taubstumme Indianer Bromden (Will Sampson) spielt eine unerwartet wichtige, meistens aber passive Rolle. Auch der stotternde und unter Unsicherheit leidende Billy Bibbit (Brad Dourif) hat einen ganz eigenen, aufrührenden kleinen Subplot, der den Verlauf der Geschichte dramatisch verändert.
Die Fülle der Nebenfiguren ist bunt, lockert die Geschichte auf oder schenkt Dramatik, lässt den Hauptplot dabei aber nicht untergehen. Die Nebengeschichten werden subtil angerissen, können später aber unerwartet großen Einfluss auf den Gesamtfilm nehmen. So kann der Zuschauer in den Details baden, ohne den Überblick zu verlieren.
Warum Einer flog über das Kuckucksnest einzigartig ist
Dazu gehört sicherlich auch der Entstehungszeitpunkt des Kuckucksnests. In den Siebzigern hat sich das Verständnis und die Bewertung des Status Quo geändert. Beim Casting äußerte sich das im Ablehnen der Rolle der „bösen“ Schwester Ratched durch fünf Schauspielerinnen, darunter Anne Bancroft und Angela Lansbury. Es ist vorstellbar, dass der Film einige Jahre vorher keine fünf Academy Awards gewonnen hätte. In diesem Sinne steht Einer flog über das Kuckucksnest für den Geist einer neuen Generation von Filmschaffenden.
Abgesehen davon erzählt der Film eine sehr unterhaltsame Geschichte, mit vielen interessanten Charakterköpfen, die durch ihre Rolle ihr Image festigen oder neu erfinden konnten. So zum Beispiel Christopher Lloyd als neurotisch Impulsiver und Danny DeVito als wahnhaft Gestörter. Neben dem kritischen Unterton bietet der Film Momente auf der ganzen Bandbreite des emotionalen Spektrums, teilweise in sehr schnellem Wechsel. Das Kuckucksnest weiß zu überraschen.
Warum Einer flog über das Kuckucksnest die Jahrzehnte überdauert
Der Film hat die Jahrzehnte überdauert, weil Grenzen des Zulässigen und des Normalen immer wieder neu definiert werden müssen. Das kann leicht faschistische Tendenzen annehmen. Einer flog über das Kuckucksnest konnte die Jahrzehnte überdauern, weil es ein Negativbeispiel zeigt. Einfache Dinge wie Zigaretten oder die Fernsehübertragung der Baseball World Series werden unerreichbar unter dem willkürlichen Regime der Oberschwester, die das wilde Geschehen auf der Station hinter einer sicheren Glasscheibe überwacht. Koufax…Koufax kicks. He delivers. Its up the middle! Its a base hit! McMurphy versucht das Leben in der Anstalt mit Fantasie und Spielen aufzulockern. Er imitiert den Kommentator der World Series und facht so einen kleinen Aufstand an. Wenn der Fernseher ausbleibt, muss er es eben selbst in die Hand nehmen.
